Kreativität entsteht aus der Leere.
Es hat für mich eine Weile gedauert aber nun habe ich etwas gefunden. Das Nichts. Das kling erstmal abstrus: Das Nichts gefunden haben. Das Nichts finden wollen. Wer will das schon? Wir wollen doch eher alles als nichts. Verschwendung anstatt achtsamen Umgang mit den Ressourcen. Alles, um ja nichts zu verpassen. Ja nichts zu versäumen. Leere hat in unsere Gesellschaft keinen Platz. Sie hat kein Ansehen und man will sich lieber erst gar nicht mit ihr beschäftigen. Aber in Wahrheit versäumen wir alles, wenn wir das Nichts niemals kennen lernen. Ihm niemals Raum geben.
Einer der schönsten und entspannenden Momente ist der Moment zwischen zwei Atemzügen. Zwischen dem Ausatmen und dem nächsten Atemzug. Dazwischen liegt ein Moment tiefer Stille. Ein Hauch von Nichts und doch allem. Ich kann ganz bei mir sein, kein Gedanke durchkreuzt diesen Moment, kein Tun, kein Soll. Nur da sein. Im Nichts und ich in ihm. Geglaubt hätte ich das vorher niemandem. Probiere es mal aus 😉
Um dem Nichts wahrhaftig zu begegnen hat es einige Prozesse und auch viele Emotionen, viel Wut, gebraucht. Ich erinnere mich unter anderem an eine Meditation in der es darum ging, meinen wahren Ruf zu finden. Ich habe mich darauf gefreut, konnte es kaum erwarten diese Frage endlich zu beantworten. Und dann passierte es, dass ich mich danach an nichts erinnerte. Alles war wie vernebelt. Einfach komplett weg! Ich erinnere mich an absolut nichts, keinen Ort, keine Farbe, kein Erlebnis. Einfach nur alles neblig, schwarz und nichts übrig. Toller Ruf! Ich war enttäuscht, sauer, wütend, traurig. Einfach nichts da. Erst habe ich mich in diese Wut hineingesteigert. Irgendwann erkannte ich aber, dass sich Wut nur aufbäumt, um etwas zu schützen, damit ich nicht aus meiner Gewohnheit, meiner Komfortzone, heraus muss obwohl gerade hier der Schlüssel zur Lösung liegt.
Ich kenne das auch aus unsere Gesellschaft. Als ich mir eine Zeit lang eine berufliche Auszeit genommen hatte und auf die Frage “Was machst Du beruflich?” mit “Nichts” antwortete, konnte niemand damit umgehen. Oft engegneten mir die Menschen trotzig oder wütend, dass das ja nicht sein kann, da es nicht ginge, nichts zu machen. Außer ich sei unendlich reich und könne mir alles auch so leisten. Ich spürte den Neid, der aus einer eigenen Sehnsucht heraus sprach. Und die Wut, da dies nicht in die gängigen Muster passte. Erst war es mir peinlich und ich versuchte solche Situationen zu vermeiden. Dann ging ich mehr und mehr in ein Schmunzeln über. Ich begann mich darüber zu amüsieren, wie eng die Vorstellungen des Lebens in den Köpfen der Menschen feststeckte. Es war pure Angst, die aus meinen Gesprächspartnern heraus sprach. Angst, “alles” zu verlieren, sich “nichts” mehr leisten zu können. Angst, dass man in den Augen der Gesellschaft nichts mehr wert ist, weil es vermeintlich „minderwertig“ ist, nichts zu tun. Dieses Phänomen habe ich übrigens nur in den Industriestaaten erlebt. In vielen einfachen Ländern Asiens ging man ganz anders, offener und entspannter mit dem Thema um.
Das Bunte hat mich ins Nichts geschickt.
Das Bunte meines Lebens. Das bunte Treiben? Die Vielfältigkeit meiner Persönlichkeit? Die Vielfältigkeit meiner Projekte, meines Tuns? Der Aktionismus. Das Alles. Mein Leben ist bunt. Es steckt so vieles drin. Ich tanze auf allen Hochzeiten — am liebsten gleichzeitig. Aber oft fehlt mir in dieser Fülle der Farben die Luft zum Atmen. Ich übergehe mich. Ich verliere mich in der Farbenpracht. Im Äußeren. Im Gewohnten. Im vermeintlichen Leben.
Nun tritt Leere an mich heran. Sie ruft. Schon eine Weile. Ich konnte sie bisher nicht verstehen. Dennoch hat sie nicht aufgegeben nach mir zu rufen. Sie zeigt mir, dass sie da ist, weil ich sie brauche. Tatsächlich habe ich mich mittlerweile an ihre stille Präsenz gewöhnt, ohne es richtig zu merken. So schenkt sie mir ihr Vertrauen in der Hoffnung, auch meines zu erlangen. Vertrauen, dass ich in der Leere sein kann. Dass ich nichts verpasse. Dass hier etwas entsteht. Etwas, nach dem ich mich sehne. Die Leere braucht selbst gar nichts, um da zu sein, um zu existieren. Kein Druck, keine Erwartung. Nur Nichts. Ich atme aus, fühle Entspannung durch meinen Körper gleiten. Das Gefühl tut gut. Und öffnet neue Horizonte. Von hier aus kann ich raus. Raus aus allem, was ich schon kenne, was ich weiß und was ich kann. Raus aus dem, was meine Erfahrung ist. Raus aus dem, was andere von mir erwarten. Hinein in einen Raum, der alles — und wirklich alles — möglich werden lässt. Es gibt keine Grenzen im Denken und Handeln. Es darf alles sein und ist willkommen. Ganz neue Möglichkeiten tauchen auf.
Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Denn keiner erwartet Nichts von mir. Ich bin genau genommen für meine Umwelt das Gegenteil vom Nichts. Bei mir passiert immer etwas, es ist immer was los. Umso spannender ist dies jetzt.
Nichts ist Leere. Leere ist der Beginn von allem. Hieraus findet das Entstehen seinen Raum.
Schöpfung entsteht aus der Lehre. Aus dem Nichts. Das, was in diesem Raum keinen Platz findet ist das konditionierte Selbst. Denn dieses sucht etwas. Aus Gewohnheit. Mit Nichts kann es nichts anfangen. Nichts ist nichts für es. Es hat es nicht gelernt. Es schreit nach Fülle, nach dem, was es kennt.
Aus dem Nichts entsteht Kreativität. Kreativität gepaart mit Fokussierung auf das Wesentliche — und genau das spricht aus dem Nichts, wenn alles scheinbar wichtige wegfällt — mündet in Erfolg, wenn man ihr die Chance dazu gibt. Denn alte Denkmuster werden fallen gelassen. Ich bin oft überrascht von dem, was ich mittlerweile aus dem Raum der Leere kreiiere und wie erfolgreich es ist.
Doch es gibt einen Haken bei der Sache. Einen Haken, der Disziplin erfordert. Die Disziplin immer wieder ins Vertrauen zu gehen. Sich immer wieder einzulassen auf das, was man nicht kennt. Auf das, wovor man Angst hat. Und zu wissen, dass es genau so richtig ist.
Ich brauche nur Vertrauen.
Ich brauche das Vertrauen, mich einfach fallen zu lassen. Meine Pläne fallen zu lassen. Vertrauen, dass dann das, was kommt, das Beste ist, was mir passieren kann.
Seitdem ich dieses Vertrauen übe ist soviel schönes passiert. Ich lasse den Plan los. Auf dass aus dem Nichts alles kommen kann, was will. Auf dass das Authentische seinen Platz bekommt und mir zeigt, wie es weitergeht.
Danke, dass Du da bist, liebes Nichts!